Die Umstellung auf Barhuf
Es gibt immer noch viel zu viele Pferde, die an den Vorderhufen, teilweise auch noch zusätzlich an den
Hinterhufen, beschlagen sind. Entscheidet sich der Pferdebesitzer dann für eine Umstellung auf Barhuf, ist das Gelingen
von vielen Faktoren abhängig.
Zunächst stellt sich die Frage:
Warum und wann sollen die Eisen abgenommen werden?
Die meisten Pferdebesitzer versuchen erst dann ihr Pferd barhuf laufen zu lassen, wenn es fast zu spät ist und das Pferd
bereits große Probleme in Form von Lahmheiten oder anderen untragbaren Hufzuständen hat. Es gibt aber
genügend Argumente, auch einem scheinbar problemlosen Huf die Chance auf eisenfreie Zeiten zu geben:
- Der Beschlag dient in erster Linie grundsätzlich nur als Schutz gegen zuviel Abrieb und wird aus eben diesem Grund von den meisten Pferden gar nicht benötigt, da sie heutzutage gar nicht mehr der Belastung wie in früheren Zeiten ausgesetzt sind, ganz im Gegenteil, das Lauftier Pferd ist generell eher unterbeschäftigt. Lediglich bei abriebintensiver Nutzung wie etwa Distanzritten oder Kutschenfahrten ist ein Abriebschutz sinnvoll; hier kann aber eventuell auf die Alternative "Hufschuh" zurückgegriffen werden. Entscheidet sich z.B. ein Distanzreiter in den Sommermonaten für einen Beschlag, so können die Hufe durchaus in den Wintermonaten wieder ohne Beschlag korrigiert werden.
- Eine Korrektur am Huf ist mit einem Beschlag nicht möglich, die Hufsituation lässt sich generell nur am Barhuf verändern und verbessern. Als Hufpfleger nutze ich bei der Hufbearbeitung die Faktoren Abrieb und Bodengegendruck, diese lassen sich aber unter dem Eisen nicht steuern.
- Ein "unbewaffnetes" Pferd ist keine so große Gefahr für seine Artgenossen.
- Unter dem Beschlag werden die meisten Hufe trachtenlastig, da unter dem Eisen normalerweise nur im Trachtenbereich Abrieb stattfindet, während der Rest des Hufes in die Höhe wächst. Dadurch wird der Huf mit der Zeit immer flacher, die Zehe immer länger und die Trachten "schieben" immer weiter unter.
- Die Hornqualität nimmt unter dem Beschlag ab, die Entstehung von Hufgeschwüren und Abszessen wird begünstigt.
- Durch das starre Eisen wird die Hufmechanik weitgehend ausgeschaltet, der Huf kann sich nicht mehr verformen, sich somit nicht an den Untergrund anpassen und die Stöße während der Bewegung nicht mehr abfangen - diese "schlagen" demzufolge ungehindert und "ungefedert" nach oben in die Gelenke durch.
- Außerdem wird durch die weitgehende Ausschaltung der Hufmechanik die Durchblutung des Hufes stark herabgesetzt. Die negativen Folgen sind vielfältig und betreffen neben den Gliedmaßen den gesamten Organismus.
- Mit Eisen hat der Huf wenig Halt auf rutschigen und glatten Böden. Dieses wird oftmals durch Einarbeiten von Stollen und/oder Widiastiften versucht zu verbessern, die Folgen alleine schon aufgrund der Stellungsänderung sind fürchterlich.
Wer nimmt die Eisen ab?
Soll das Pferd in Zukunft von einem Hufpfleger bearbeitet werden, empfiehlt es sich, die Eisenabnahme auch vom Hufpfleger durchführen zu lassen. Zum Einen wird der Hufpfleger die Eisen möglichst materialschonend entfernen, zum Anderen sollte unbedingt die erste Behandlung direkt vom Hufpfleger durchgeführt werden.
Wie wird am Huf gearbeitet?
Der Hufpfleger wird schon bei der ersten Bearbeitung dafür sorgen, dass sich die Hufsituation verbessert und
bemüht sein, dem Pferd die Umstellung so angenehm wie möglich zu machen. Es werden z.B. Hebelkräfte an
schrägen Wänden minimiert, um sowohl die Wand wieder aufzurichten als auch dem Pferd Schmerzen, welche durch
Hebelkräfte verursacht werden, zu nehmen. Deshalb ist es auch so wichtig, daß der Hufpfleger sofort nach der
Eisenabnahme die Bearbeitung übernimmt.
Anfangs sind relativ kurze Behandlungsabstände sinnvoll, um den Hufen und dem Pferd möglichst schnell auf den
richtigen Weg zu helfen. Die genauen Abstände werden vom Bearbeiter von Termin zu Termin mit dem Besitzer des Pferdes
festgelegt werden.
Wie reagieren die Hufe?
Hierzu lässt sich leider keine allgemeingültige Prognose abgeben, selbst am konkreten Fall ist es oft schwierig,
die Lage einzuschätzen. Unter dem Eisenbeschlag ist die Hornqualität schlecht geworden, das Horn ist meist weich
und bröselig, da ihm die Wachstumsanreize durch den direkten Bodengegendruck fehlen. Ein Barhuf produziert qualitativ
hochwertiges Horn, weil durch die Reize verschiedener Böden die Hornproduktion angeregt wird und entsprechend hartes
Horn entsteht. Unter dem Eisen fehlen diese Reize, deshalb wird hier auf Dauer die Hornqualität zunehmend schlechter,
was sich nach der Umstellung auf Barhuf aber mit der Zeit wieder bessert.
Die meisten Hufe brechen an den Nagellöchern aus; die Intensität der Ausbrüche hängt auch von der
Hufsituation ab, schräge Wandanteile werden heftiger ausbrechen als relativ steile Wände. Oft ist nach kurzer Zeit
der komplette Tragrand weggebrochen, dann müssen Sohle und Strahl verstärkt Tragefunktion übernehmen. Das kann
zu einer so starken Reizung der Sohlenlederhaut führen, daß sie mit einer Entzündung reagiert. Hier sollte
gegebenenfalls ein Tierarzt hinzugezogen werden; abgesehen davon kann der Hufbearbeiter dem Pferd mit fachgerechten
Hufpolstern Erleichterung verschaffen.
Eine Fühligkeit auf steinigen Böden ist bei der Umstellung normal, denn durch die Eisenabnahme und die wieder
einsetzende Hufmechanik spürt das Pferd den Boden unter den Füßen endlich wieder, daher werden Steine und
Schotter erst einmal als unangenehm empfunden. Grundsätzlich ist ein Pferd, das auf steinigem Boden vorsichtig
läuft, zu beglückwünschen, denn im Gegensatz zu seinen beschlagenen Artgenossen schont es seine
Gliedmaßen und läuft nicht rigoros über Stock und Stein, wodurch Gelenke und Sehnen auf Dauer geschädigt
werden können.
Ob das Pferd die Umstellung gut verkraftet und relativ problemlos weiterläuft, hängt von der Bearbeitung und der
Hufsituation, aber auch in großem Maße von der Mitarbeit des Pferdebesitzers ab.
Was kann und muß der Pferdebesitzer tun?
Zunächst einmal sollte sich jeder Pferdebesitzer, der an eine Eisenabnahme denkt, im Klaren darüber sein,
daß sich sein Pferd während der Umstellungsphase in der Rehabilitation befindet.
Das bedeutet, daß viel Rücksicht auf das Pferd genommen werden und auf persönliche Bedürfnisse wie das
Reiten auch zeitweilig verzichtet werden sollte. Anfangs sollte das Pferd unter Umständen komplett aus der Nutzung
genommen werden, um erst einmal beobachten zu können, wie gut die Umstellung verkraftet wird. Steinige Böden
sollten vorerst vermieden werden. Wenn es nicht anders geht, können Hufschuhe Abhilfe schaffen. Ansonsten ist es
hilfreich, wenn das Pferd sich frei, z.B. auf der Koppel, bewegen kann, ohne dabei von ranghöheren Artgenossen
gescheucht und zum Laufen gezwungen zu werden.
Der Pferdebesitzer muß in jedem Fall Geduld mitbringen, denn wenn das Pferd zu früh wieder in die Nutzung genommen
wird, kann dadurch das Gelingen der Umstellung verhindert oder verzögert werden. Jeder sollte sich vorher gut
überlegen, ob er womöglich nicht auf das Reiten verzichten will und sich deshalb lieber damit abfindet, daß
die Hufe seines Pferdes ggf. in einer schlechten Situation bleiben, oder ob er einige Wochen zugunsten des Pferdes das eigene
Vergnügen zurückstellt. Natürlich sieht kein Pferdeliebhaber sein Tier gerne fühlig umherlaufen, aber
diese Phase ist von absehbarer Dauer und mit anschließender Gesundung der Hufe verbunden, wohingegen ein scheinbar
freudiges Laufen mit Eisenbeschlag nur allzu oft in einer nicht enden wollenden Odyssee der Lahmheiten resultiert.
Anmerkung:
Auch wenn im Text immer wieder vom Reiter/Pferdebesitzer/ etc. die Rede ist, gilt dies natürlich auch für das weibliche Pendant. Aus Gründen der Lesbarkeit habe ich auf die "doppelte" Schreibweise verzichtet.
Kompetenz rund um den Huf